Warum heißen Tagebücher eigentlich Tagebücher?
Oft werden sie doch in der Nacht gefüllt!

Natürlich heißen Tagebücher Tagebücher, weil sie über die Tage unseres Lebens Auskunft geben. Ein Tagebuch ist, so Wikipedia, "eine autobiografische Aufzeichnung als Selbstzeugnis in chronologischer Form". Spannende Formulierung.

Ich selbst schreibe gar nicht Tagebuch, derzeit jedenfalls nicht, meine Frau schon. Meistens nachts. Mitten in der Nacht steht sie auf - und falls ich aufwache, raunt sie mir bedeutungsvoll zu, sie wolle ein wenig Tagebuch schreiben. Und so kam mir der Einfall, warum Tagebücher nicht eigentlich Nächtebücher heißen! Frühmorgens, spätabends ... oder eben mitten in der Nacht sind typische Zeiten des Schreibens. Was da festgehalten wird, sind Gedanken zur Nacht, aus der Nacht oder sogar in der Nacht. Der Titel der Masterthese von Claudia fällt mir ein "aus der Stille heraus..."

Mir gefällt meine Wortschöpfung Nächtebücher. In der Ruhe der Nacht stecken Kraft, Liebe, Besonnenheit - drei Begriffe, die für mein Leben eine große Rolle spielen. Nächtebücher sind eben nicht nur chronologische Listen von Tagesereignissen. So etwas nennt man Terminkalender... Viel mehr sind sie Selbstzeugnis, also eine Rechenschaft mir selbst über mich selbst, die meine Dankbarkeit, meine Sorgen, meine Bedürfnisse sortieren, kanalisieren, ausrichten. All das gelingt vielleicht am besten, wenn es still um uns - und in uns ist. Dafür ist die Nacht ein passender Ausdruck.

Christliche Mystiker sprechen sogar von der "dunklen Nacht der Seele", einem besonderen geistlichen Erleben, in dem alles zum Stillstand, zur Ruhe kommt, ein "Tiefpunkt", bei dem Gott ganz fern scheint und doch ganz nah ist. Gerade solche Momente verdienen es, festgehalten, wertgeschätzt, aufgeschrieben zu werden. In welcher Form auch immer ... ob in Tagebüchern oder Nächtebüchern.