In unserer Gesellschaft nehmen Hass und Gewalt anscheinend zu. Das verstört, das macht wütend.

Und so entsteht ein Kreislauf aus Hass und Wut und Gewalt und neuem Hass, neuer Wut, mehr Gewalt. Und die Folgen sind fatal.Selbst da, wo es „nur“ um Worte geht.

Vor wenigen Tagen hat sich in Frankreich die neunjährige Sarah suizidiert. Auslöser war Mobbing in der Schule. Und wieder spüre ich neben aller Erschütterung (ich habe Enkelkinder in dem Alter) auch Wut in mir, wenn ich das lese. Am liebsten würde ich … ist ein Satzanfang, den ich dann doch lieber nicht zu Ende denke. So schnell geht das mit der Wut.

In den USA werden friedliche Menschen von vermummten Polizisten ohne die Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen gewaltsam festgenommen – auf der Straße, in Kirchen, in Gerichtsgebäuden (wo sie hinkamen, um ihren Aufenthaltsstatus zu klären). Die Brutalität der im Internet kursierenden Videos lassen keinen Zweifel an dem hasserfüllten Rassismus, der hier vorgibt, für Recht und Ordnung zu sorgen. Unter den Opfern auch Kinder, Kranke, Schwangere. Ja, das macht mich wütend.

Ein Geistlicher (als solcher erkennbar), der gegen das Vorgehen der Polizei protestiert, betend die Hände hebt, wird vom Dach aus mit polizeilichen Gummigeschossen zu Boden geworfen, anschließend noch Pfefferspray traktiert. Spannender Weise, macht das gleiche Bildmaterial Menschen beider Seiten rasend - die einen schimpfen auf die überbewaffnete, gewaltanwendende Polizei, die anderen auf die Protestierenden, weil sie versuchen, die Polizei zu behindern. Das macht mich wütend.

Was die Bilder aus Gaza angeht, so spüre ich auch Zorn und Wut, wenn ich sehe, was Hass und Gewalt angerichtet haben. Der große Friedens-Deal, der angeblich kommt, gleicht eher einer Friedhofsruhe, wenn man die völlige Zerstörung des Landes betrachtet. Die Dynamik von Gewalt und Gegengewalt hat nur mehr Hass und mehr Zerstörung gebracht. Das macht wütend.

Über die Ukraine mag ich kaum noch reden. Tiefer Hass alter weißer Männer (um mal ein Klischee zu bedienen) und wohlkalkulierte Machtphantasien kosten Menschenleben, zerstören Lebensgrundlagen und gebären immer wieder neuen Hass. Das macht mich wütend.

Wohin mit der Wut? Wenn Hass wütend macht, immer weiter aufheizt, am besten gar nicht mehr hinsehen? Es macht einen doch schier verrückt!

Oder müssen wir gerade hinsehen, aufstehen gegen den Hass und die Gewalt?

Nur – wie soll das gehen, ohne selbst gefangen zu werden in jener Hass-Wut-Spirale. Wir Menschen sind eben nicht emotionslos, reduzierbar auf reine Sachlichkeit und Nüchternheit. Aber gerade weil die Emotionalisierung des Menschen Teil des perfiden Planes des Bösen ist, braucht es Bewältigungsstrategien.

Der „No-Kings-Day“ (18. Oktober 2025) in den USA war hier eine echte Sensation. Nicht etwa, weil rund 7 Millionen Menschen daran teilnahmen (die größte Demonstration, die je in den USA stattgefunden hat), sondern weil der Protest absolut friedlich war. Bei 7 Millionen Menschen – nicht eine Festnahme! Okay – es gab 22 Festnahmen von Gegnern der Demos, gewaltbereiten MAGA-Anhängern, aber selbst diese Zahl ist niedrig, angesichts der Größe des Ereignisses. Das beeindruckt mich. Wie war das möglich? Bilder von den Montagsdemos in der damaligen DDR kommen mir in den Sinn. Ebenfalls friedlich und gewaltfrei…

Kann es sein, dass ich mich gegen Hass und Gewalt entscheiden kann? Kann es sein, dass Gebet hilft, meine Wut umzuwandeln? (Gott kann meine Wut wohl besser aushalten, als mein Nächster.) Mag ich sie ihm bringen? Mit meiner Verzweiflung, meinen Fragen, meiner Hilflosigkeit angesichts des Hasses und der Gewalt, der himmelschreienden Ungerechtigkeiten in dieser Welt.

 

Kyrie eleison.

 

 

 

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